BIM ist nicht nur ein Hype, sondern wird die Bau- und Immobilienwirtschaft sowie das Facility Management langfristig in allen Bereichen und auf allen Ebenen prägen. Treiber dieser Entwicklung sind vor allem höhere Qualitäts- und Innovationsansprüche sowie veränderte Anforderungen seitens der Auftraggebenden. Dies zeigen die Ergebnisse der neuesten BIM-Umfrage, die von sieben Branchenorganisationen unter dem Lead der pom+Consulting AG durchgeführt wurde. 

Building Information Modeling (BIM) ist für die Schweizer Bau- und Immobilienwirtschaft ein zentrales Thema, wie die BIM-Umfrage 2022 ergibt. Drei Viertel der knapp 600 Befragten erklären, dass die Anwendung von BIM für ihr Unternehmen relevant ist. Diese hohe Relevanz ist sowohl in der Privatwirtschaft als auch in staatsnahen Betrieben sowie Genossenschaften, Stiftungen und Vereinen zu erkennen. Etwas weniger gut verankert ist BIM in der öffentlichen Verwaltung.

Die Unternehmensgrösse spielt bei der Beurteilung der Bedeutung von BIM eine Rolle: Während 38 Prozent der kleinen Unternehmen BIM keine Relevanz zusprechen, liegt dieser Anteil bei den mittleren und grossen Unternehmen lediglich bei elf Prozent. Fehlende Investitionsbereitschaft ist über alles betrachtet aber nur ein untergeordneter Grund. Viel wichtigere Gründe sind das fehlende Know-how und die nicht vorhandene Nachfrage seitens Kunden.

BIM wird immer noch vor allem mit Planung und Bau in Verbindung gebracht. Der Gedanke des Lifecycle Data Managements (LCDM) und die damit verbundene Bedeutung von BIM in allen Lebensphasen eines Bauwerks und als «Enabler» für die Digitalisierung muss sich noch stärker etablieren. «Die Studie bestätigt einmal mehr, dass die Lücke zwischen Erstellungs- und Nutzungsphase noch immer eines der bestimmenden Elemente in der Branche ist», erklärt Studienleiter Dr. Joachim Baldegger, Head of Service Unit Future Lab bei pom+. «Die Hoffnungen, diese Lücke mit BIM zumindest teilweise schliessen zu können, müssen sich erst noch bestätigen.»

Eine Frage der Qualität

Doch die Branche bewegt sich. Die Studie zeigt, dass bestellende Rollen den Einsatz von BIM rasch vorantreiben und BIM über den ganzen Lebenszyklus hinweg etablieren. Mehr als die Hälfte der Befragten nutzt BIM erst in wenigen Projekten, rund ein Viertel (26%) hingegen setzt bereits bei der Mehrheit der Projekte BIM ein. Wesentlicher Treiber dabei ist die erhoffte Qualitätssteigerung. Damit BIM künftig sein volles Potenzial entfalten kann, ist eine Anpassung der heutigen Geschäftsprozesse notwendig. Mehr als die Hälfte (51%) der Befragten erklärt, dass die gegenwärtige Ausrichtung ihrer Organisation verbesserungswürdig ist.

Risikofeld Datennutzungsrechte

Daten spielen bei der Erstellung und Nutzung der BIM-Methodik eine zentrale Rolle. Das Thema der Datennutzungsrechte ist in der Branche allerdings noch nicht wirklich angekommen. «Das birgt Risiken bei der späteren Verwendung der BIM-Modelle», erklärt Baldegger. Bei fast zwei Drittel der Befragten gibt es keine Regelung bezüglich der Nutzungsrechte von BIM-Modellen bei Projektabschluss. Es ist also nicht festgelegt, in welcher Form bzw. in welchem Datenformat die vom Erstellenden erzeugten BIM-Modelle von anderen Rollen in späteren Phasen genutzt werden dürfen. Hier herrscht dringender Handlungsbedarf, um z. B. die Abhängigkeit von Betreibenden gegenüber Erstellenden zu limitieren. 

Hausaufgaben für das Bildungswesen

Die erfolgreiche Einführung der BIM-Methodik erfordert strukturierte Vorgaben, Anforderungen und Konzepte. Die Unterstützung der Führungsebene ist gemäss den Ergebnissen der Studie dabei eine wesentliche Voraussetzung. Ein zweiter wesentlicher Treiber sind fachverantwortliche bzw. projektleitende Personen auf Nutzerseite. Sie bilden das Bindeglied zwischen Technologie und Organisation und sind damit zentrale Schnittstelle zwischen Projekt und Unternehmen.

Aktuell werden Mitarbeitende im Rahmen ihrer Erstausbildung jedoch nur in einem geringen Masse (16%) auf die Anforderungen eines BIM-Projektes vorbereitet. Auch die vorhandenen Weiterbildungsangebote sind noch ausbaufähig. Für betreibende Rollen gibt es aktuell keine Erstausbildungen oder Weiterbildungen. Zukünftig wird von den Bildungskonzepten im BIM-Kontext erwartet, dass ein allgemeines Verständnis von BIM vermittelt und relevante Anwendungsfälle vertieft dargelegt werden. Zur Überbrückung setzen Unternehmen daher auch auf den Kompetenzaufbau in der eigenen Organisation in Form von Selbststudium und Projekterfahrung.

Betrieb auf der langen Bank

BIM-Anwendungsfälle (Use Cases) beschreiben spezifische Prozesse nach definierten Anforderungen, um eines oder mehrere Ziele unter Anwendung der BIM-Methode umzusetzen. Ähnliche Anwendungsfälle wurden für die Studie zu sogenannten Anwendungsfall-Clustern aggregiert und genauer untersucht. Über alle Rollen hinweg zeigt sich ein eher traditionelles Bild, das sich stark an der Umsetzung eines Bauprojektes orientiert. Das lässt darauf schliessen, dass nach wie vor ein signifikanter Mehrwert bei der Planung und Koordination sowie der Informationsbeschaffung und Steuerung während des Bauprozesses gesehen wird. Betriebsrelevante Anwendungsfall-Cluster sind aktuell weniger von Bedeutung, haben laut den Befragten aber den grössten Gesamtnutzen. 

Über die Studie

Die Schweizer BIM-Umfrage 2022 wurde im Verbund von Bauen digital Schweiz / buildingSMART Switzerland, BIM LAB OST – Ostschweizer Fachhochschule, Branch Do Tank, IFMA Schweiz, Infra Suisse, pom+Consulting AG und der Schweizerische Vereinigung Beratender Ingenieurunternehmungen usic durchgeführt. Die Studie untersucht den aktuellen Umgang mit BIM in der Schweiz rollen- und phasenübergreifend über sämtliche Akteurinnen und Akteure und über den gesamten Lebenszyklus von Bauten. Sie zeigt somit auf, wo der BIM-Markt gegenwärtig steht, und gibt Hinweise, welche Entwicklungen in Zukunft zu erwarten sind. 

Die Studie kann gratis heruntergeladen werden.